Corona-Krise: Krankheit als Protest / Protest in und durch Krankheit

Uns fehlt kein Virus und auch kein Arzt.
Was uns fehlt ist die Gattung.
Das Geheimnis der Krankheit ist die Menschengattung.
Deshalb PRO Krankheit.

 

Neues Klima?

Gerade mal sechs Wochen ist es her, dass die neue, von Jugendlichen impulsierte Klimabewegung zum 3. Globalen Klimastreik aufgerufen hat.
Zuvor hatte sich in den vergangenen Monaten bei den Jugendlichen ein wichtiger Gedanke mehr und mehr im Bewusstsein verfestigt: Ohne Erneuerung und Umkehr in Denkweise und Handeln keine Zukunft, und ohne Zukunft keine Gegenwart.

Nicht neu, aber ansteckend und anfeuernd wirkte dieser Gedanke. Die Jugendlichen wollten bei diesem Klimastreik nun verstärkt den Schulterschluss mit anderen Bewegungen, ein Zusammenrücken von Jung und Alt direkt auf der Straße. Auf der Demonstration sollte mit vielen Stimmen eins zum Ausdruck kommen: Die Verhältnisse müssen sich wandeln – und: Anfänge dazu sind längst gemacht, man kann bereits auf Erfahrungen zurückgreifen, es funktioniert.

Im Gegensatz zur Vehemenz der Proteste steht, dass dieser Wandel im Rahmen des Bestehenden stattfinden soll, die kapitalistischen Produktionsverhältnisse bleiben im Kern unangetastet. Indem man sich gebetsmühlenartig auf die Wissenschaft beruft, wird in der Argumentation sogar eine tragende Säule der schädlichen Bedingungen gestärkt.

Die ersten beiden Streiks (und viele kleinere) hatten zwar Wirkung gezeigt, aber die politischen Entscheider weltweit haben dem aufgerufenen Problem zukünftiger Massenzerstörungen durch Klimaveränderungen für das Heute letztlich nur geringe Bedeutung zugemessen, abzulesen an den bestenfalls zaghaften Versuchen einer Umkehr in der Gesetzgebung.

Im Ergebnis lief der Protest somit ins Leere. Der Kapitalismus hat ihn sich einverleibt, indem er ihn für die weitere Kapitalakkumulation ausbeutet. Der Kapitalismus wird grün angestrichen (Greenwashing), Hauptsache es bleibt bei Warenproduktion und Wertfetischismus, nur mit anderen Vorzeichen.
Das bedingungslose und allumfängliche NEIN! der Jüngeren, geboren aus dem Schmerz einer geklauten Zukunft, blieb ungehört.

Es gibt jedoch noch ein weiteres Resultat, nämlich die Selbstbegattung, in „der die als Kapital vorausgesetzte allgemeine Destruktivität zum Ergebnis, zum „individuellen“ Ausdruck kommt.“ (aus: Der vollständige Krankheitsbegriff)

 

Die Kränkungswelle

Vor die Krankheit hat die Gattung die Kränkung gesetzt. Und die Jugend ist gekränkt. Zurecht.
Denn die Bestimmer haben klar gemacht: Nicht ihr bestimmt, sondern wir. Unser Nein! ist entscheidend. Macht die Schule fertig wie für euch vorgesehen. Zum Arbeiten seit ihr dann gut genug. Eure Zukunft wird das sein, was wir für euch übrig gelassen haben. Hier ist euer neues Handy.

Es ist eine aufgezwungene Wiederanpassung an die lebenszerstörenden Verhältnisse. Diese Gewalt, die Gewalt von oben, ist für viele junge Leute neu und unerwartet. Auf sie wirkt sie besonders bedrückend.
Auch die Älteren, die den Versuch zum Schulterschluss begrüßt haben und solidarisch mit der Jugend und ihren Forderungen sein wollen, werden so gekränkt.

Eine weit um sich greifende Kränkungswelle lief so über den Menschensee, weit über nationale Ufer hinaus, sie hat uns alle erfasst.
Statt Schulterschluss und Zusammenrücken entsteht Vereinzelung und Zweifel. Man ist gezwungen, gegen sich selbst und an sich selbst die Gattung zu sein (Selbstbegattung). Und die Gattung sucht sich in und als Krankheit neue Wege zu ihrer Ereignung.
Krankheit ist Protest gegen das Bestehende, sie will Veränderung, und sie nimmt sich das zu Hilfe, was nötig ist, um den Gattungsprozess voranzutreiben, hin zu der noch herzustellenden Menschengattung

„Im konkreten Krankheitsverlauf des Vereinzelten ist das Resultat aus Materialität der Selbstbegattung und Realität der Entfremdung nicht Gewalt, sondern entfremdete Gewalt, die im Kreislauf der Einheit von Produzent und Produkt (man sagt dazu auch Verdinglichung) ihre Schranke hat, in sich selbst erzittert (Hegel), Echo, Ohnmacht bleibt, versandet und eben nicht agitierendes, sollizitierendes (antreibendes) Moment des Gattungsprozesses wird.“ (aus: Der vollständige Krankheitsbegriff

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